Jetzt sprechen auf einmal alle von Angst und Panik. Die Leute würden voller Sorge in die Zukunft sehen und alle würden voll am Rad drehen. Aus Angst vor einer ungewissen Zukunft, vor der Krankheit, vor dem Jobverlust, vor dem finanziellen Ruin, dem Kollaps des Sozialstaats etc.. Komisch, denn ich habe keine Angst. Und wenn ich raus gehe, auf die Straße und zum Joggen oder Gassi mit dem Hund in den Wald, dann sehe ich keine Menschen, die angsterfüllt aussehen. Ganz im Gegenteil! Die Leute strahlen mit der wundervollen Frühlingssonne um die Wette, genießen die freie Zeit und die Langsamkeit, mit der gerade alles von statten geht. Sie spielen mit ihren Kindern einfach im Wald, bauen Buden und schnitzen Stöcke. Machen draußen Sport (ich hab noch nie soviele Jogger auf meiner üblichen Runde gesehen), treffen sich meist brav nur zu zweit, gehen lange Spaziergänge mit ihren Hunden, Freunden und Familien. Und alle sehen zufrieden aus, lächeln, lachen und freuen sich.
Alles ist irgendwie langsamer geworden, als hätten wir für alles auf einmal mehr Zeit (haben die meisten ja auch). Keine Termine, die uns stressig im Nacken sitzen, kein Freizeitstress, bei dem wir täglich überlegen: gehen wir zum Sport, ins Theater oder zu dieser interessanten Lesung, oder schaff ich das vielleicht auch alles nacheinander und treff mich danach noch mit Freunden in der Kneipe? Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich find diese Entschleunigung und diesen nachlassenden (Leistungs-)Druck mega angenehm. Ich sitze wie immer tagsüber am PC und arbeite, sogar mehr als vorher, da meine Yogakurse ja weggefallen sind und ich zum Glück Überstunden machen kann. Für mich hat sich also nicht allzuviel geändert, außer dass auch noch der Weg zur Arbeit wegfällt und ich noch mehr Zeit habe. Voll geil! Ich hab Zeit für mich selbst, die ich sonst vor lauter Stress und mit mich selbst um den Stress stressen, verplempre.
Klar sehe ich auch die negativen Seiten, ich will das jetzt nicht runterspielen. Ich mache mir auch manchmal Sorgen um meine Mum, die, obwohl sie Risikogruppe ist, jeden Tag als Krankenschwester in der Altenpflege arbeitet. Oder um meine Freunde, die als Single alleine leben und niemanden haben. Meine Oma im Pflegeheim, die niemand besuchen kommen darf. Dass ich nicht aus meinem Bundesland ausreisen darf und meine Familie zu Ostern sehen kann.
Aber ich versuche mich immer auf das Positive zu konzentrieren und das find ich ehrlich gesagt schon ganz schön gut: Zeit, Entschleunigung und ganz viel Ruhe! Es ist tagsüber so viel stiller, nachts noch viel mehr. Ich schlafe jede Nacht wie ein Baby und wache von der Sonne gekitzelt zufrieden und voller Vorfreude in den Tag auf, freue mich über meinen Morgenkaffee und meine Meditation danach. Kacke ist nur, und das im wahrsten Sinne des Wortes, dass wir gerade die letzte Rolle Klopapier angebrochen haben und wir seit Tagen keines mehr bekommen! Ihr blöden Egoisten, die anderen Menschen alles wegkaufen! Danach haben wir zum Glück noch hässliche Osterhasen-Servietten, mit der wir uns den Arsch abwischen können.
Also, genießt die freie Zeit und alles was daran hängt. Ihr müsst jetzt kein Buch schreiben oder sonst irgendwelche Glanzleistungen erbringen, für die ihr sonst keine Zeit habt. Chillt einfach mal, langweilt euch auch mal, spielt Computer und Konsolen, verschwendet eure Zeit, trinkt Wein, schlaft viel, spielt, macht alles worauf ihr Bock habt, ohne euch mal zu stressen – this is the time for it!